March 10, 2013

Learning from the best – User Engagement Lektionen des Crowd Sourcing


Was ist nötig, um Verbraucher zu motivieren an den eigenen Markenprojekten mitzuwirken? Welches Design vermag es, die Verhaltenshürden zu überwinden und Freiwillige für die eigene Kampagne zu begeistern? Antworten auf diese Fragen liefert der Blick auf Crowd Sourcing Projekte. 
       
 Dem 3D-Proteinpuzzle Foldit gelingt es, tausende Freiwillige für die Wissenschaft zu motivieren.

Das Ermöglichen von Nutzererlebnissen und die somit verbundene Aktivierung der Zielgruppe gelten als eines der wichtigsten Ziele moderner Unternehmenskommunikation. Nach einer Influencer-Studie von Brian Solis ist die Fähigkeit, Nutzer zu bestimmten Handlungen zu motivieren, die wichtigste Maßgröße, um den Einfluss von Marken zu beurteilen.
Welche Faktoren entscheidend sind, um Konsumenten zu begeistern und zu integrieren, wird derzeit kontrovers diskutiert – eine solide Antwort auf diese Frage ist bisher noch nicht abzusehen. 



Potentiale für Unternehmen und Marken


Dennoch gibt es Lösungsansätze, die einer Antwort auf die Frage der Einflussfaktoren näher kommen. Diese können in einem Bereich gefunden werden, in dem die konstruktive Aktivierung der Massen das Grundkonzept darstellt. Im Crowd Sourcing (Schwarmauslagerung) werden traditionell unternehmensinterne Teilaufgaben an eine Menge freiwilliger, externer Personen ausgelagert. Zu den bekanntesten und erfolgreichsten Crowd Sourcing Beispielen gehören die Linux-Programmierung und die Erstellung von Wikipedia. Darüber hinaus lassen sich zahlreiche Projekte aus allen Lebens- und Unternehmensbereichen finden. Angefangen bei der Entschlüsselung von Proteinstrukturen zur medizinischen Grundlagenforschung (fold.it) über die Micro-Volunteering Seite sparked.com bis hin zur Übersetzung von Twitter, das durch über 200.000 freiwillige Übersetzer nun in mehr als 30 Sprachen verfügbar ist.
Gelingt es einer Marke eine große Anzahl an Nutzern zu motivieren und aktivieren, sind die Vorteile enorm – sowohl für die Nutzer selbst als auch für das Unternehmen. Je nach Aufgabe kann das Engagement unter Umständen aufwändige Marktforschungen ersetzen und dem Verbraucher ermöglichen Einfluss auf die Marke zu haben, oder sogar ein Teil von ihr zu werden. Produktion und Innovation mit Hilfe von „Prosumenten“ binden die Kunden direkt in den Produktionsprozess ein und verringern das Risiko des Unternehmens an den Bedürfnissen der Konsumenten vorbei zu produzieren. Zweifellos spielen motivierte, beteiligte Nutzer eine Schlüsselrolle als Markenbotschafter bei viralen Kampagnen und klassischen Empfehlungen.  


Lerne von den Besten

 

Die Untersuchung von Crowd Sourcing Beispielen soll nun dazu dienen, Erfolgsfaktoren zu identifizieren und für zukünftige Engagement-Strategien zugänglich zu machen. Fold ist ein Crowd Sourcing Projekt der Standford University, das die Entschlüsselung der Faltungsstruktur von Proteinen zum Ziel hat. Die Faltungsstruktur gilt als eines der größten Rätsel der Humanbiologie und deren Entschlüsselung als Grundlage, um zahlreiche Krankheiten, wie Alzheimer und Krebs, behandeln zu können. Um die Faltungsmöglichkeiten eines einzigen Proteins zu berechnen, benötigt ein herkömmlicher Computer 30 Jahre. Da es hunderttausende Proteine zu entschlüsseln gab, wurde in Form eines passiven Crowd Sourcing Projekts zunächst freie Rechenleistung privater Computer und später von Play Stations zur Verfügung gestellt. Schon nach sechs Monaten wurde eine noch nie dagewesene Rechenleistung erreicht und über eine Millionen beteiligte Play Station Besitzer stellen 74% der Rechenleistung von folding@home. Im nächsten Entwicklungsschritt wurde das 3D Puzzlespiel Foldit entwickelt, in dem Nutzer ihre eigenen kognitiven Fähigkeiten nutzen konnten, um aktiv Proteine zu falten und Strukturen zu ergründen. Zoran Popovic, ein führende Entwickler von Foldit, beschrieb die Zielsetzung mit den Worten: „Our ultimate goal is to have ordinary people playing the game and eventually be candidates for winning the nobel price in biology.“ Im Jahr 2008 haben sich innerhalb weniger Monate nach dem Start von Foldit über 112.000 Nutzer registriert, die die Berechnungen der Supercomputer um ein Vielfaches übertrafen. Mit Blick auf dieses und weitere Crowd Sourcing Projekte fällt auf, dass sich bestimmte Elemente wiederholen.  



Die Schnittmenge erfolgreicher Crowd Sourcing Projekte setzt sich häufig aus folgenden Elementen zusammen: 

Empowerment & Purpose: 
Die Play Station Spieler wurden durch Foldit in die Lage gebracht wirkliche Leben, anstelle von virtuellen Leben in ihren Spielen zu retten. Das Gefühl, an etwas mitwirken zu können und zu dürfen, das normalerweise weit außerhalb des persönlichen Wirkungsbereiches liegt, ist zweifellos einer der stärksten Motivatoren, da die Person eine erhebliche Erweiterung ihres persönlichen Handlungsspielraumes erfährt. In einer Umfrage nach den Motivationsursachen der Foldit-Teilnahme wurde das Rätseln im Dienste der Wissenschaft am häufigsten benannt.  

Social Connectivity: 
 Den Nutzern wird an mehreren Stellen gezeigt, dass sie Teil einer großen Gemeinschaft sind und ein gemeinsames Ziel verfolgen.  Durch das Aufzeigen der Anzahl der gemeinsam entschlüsselten Proteine oder die Darstellung der kollektiv gelaufenen Kilometer bei Nike+ kann ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt werden, das meist ein größerer Motivator als der spieltypische Wettbewerb darstellt. 

Nike+ stärkt das Gemeinschaftsgefühl, indem es aufzeigt, wie viele Kilometer die gesamte
Nike+ Community bereits gelaufen ist.


Wenn die gestellten Aufgaben dem Nutzer nicht nur kognitive Fähigkeiten, wie z. B. das Bewerten von Produktnamen, abverlangen, sondern ihn zugleich auch emotional fordern und ihm ermöglichen anderen Menschen zu helfen, steigt außerdem die persönliche Relevanz des Projektes und das Gefühl der Verbundenheit.  

Motivierendes Design:   
Des Weiteren wurden moderne Spiel-Motivationsmechanismen auf das 3D Puzzle übertragen. Direktes, verhaltensorientiertes Feedback des Programms zeigt dem Nutzer den eigenen Fähigkeits- und Entwicklungsstand und lobt ihn für richtig ausgeführte Aktionen. Die Programmfunktionen und Schwierigkeitslevels passen sich dem wachsenden Können der Spieler an, um somit auch langfristige Motivation und Herausforderungen zu gewährleisten. Der persönliche Fortschritt wird anhand des Erreichens von Punkten und verschiedenen Levels quantifiziert und somit für einen selbst und andere Spieler sichtbar gemacht.
Die genannten Designelemente sind auf menschliche Bedürfnisse zugeschnitten, die im Alltag oft nur geringe Erfüllung finden. Verhaltensfeedback erfolgt in Form von Jahresgesprächen, obwohl die menschliche Psyche direkte Rückmeldung benötigt.  Persönliche Verbesserungen sind häufig nicht transparent und sichtbar, was weiterführende Motivation begrenzt. Berufliche Aufgaben sind nicht immer entsprechend der eigenen Fähigkeiten konstruiert, damit sie die Balance zwischen Über-und Unterforderung halten, was die Voraussetzung des Flow Zustandes darstellt. Somit ist Foldit in der Lage Bedürfnisse zu befriedigen, die im Alltäglichen nicht erfüllt werden.    

Motivation – Fähigkeit – Auslöser/Gelegenheit: 
Nach McGonigal ist das Zusammentreffen der benötigten Nutzerfähigkeit mit dem richtigen Zeitpunkt, bzw. der Handlungsgelegenheit eine Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Crowd Sourcing Projekt. Dieser Gedanke lässt sich mit Foggs Verhaltensmodell erweitern, das ein ausreichendes Maß an Motivation und Fähigkeit in Kombination mit einem Handlungsauslöser als Grundvoraussetzung sieht. Übertragen auf das Design der Crowd Sourcing basierten Twitter-Übersetzung wäre eine Motivation beispielsweise das persönliche Interesse, Twitter den Menschen des eigenen Herkunftslandes in ihrer Muttersprache zugänglich zu machen. Die zusätzliche Fähigkeit des Übersetzens reicht jedoch nicht aus, um den Nutzer zum Handeln zu bewegen. Entscheidend ist, in einem opportunen Moment einen Auslöser, wie z.B. ein Pop-up zu platzieren, das zur unverbindlichen Partizipation am Übersetzungsprogramm einlädt. Ist diese Einladung kombiniert mit der Darstellung von bereits involvierten Freunden, erhöht sich die Wirkung des Auslösers um ein Vielfaches. Wenn also in der Projektplanung ein bestimmtes Nutzerverhalten angestrebt wird, sollte zum einen gefragt werden, ob in jedem einzelnen Verhaltensschritt Motivation und Fähigkeit vorhanden sind. Zum anderen sollte geklärt werden, was der optimale situative Kontext ist und wie ein Auslöser gestaltet werden könnte.

  

Motivation, Fähigkeit und Auslöser müssen zusammentreffen, damit nach Fogg das Zielverhalten ausgelöst wird.
  
Intrinsische Motivation: Insofern die Aufgaben relevant und klar gut strukturiert sind, reicht im besten Falle das übergeordnete Ziel der Kampagne aus, um den Nutzer intrinsisch zum Handeln zu motivieren. Erhält der Nutzer jedoch eine materielle Kompensation für sein Engagement, kann die ursprünglich intrinsische Motivation zerstört werden und das Framing der Handlung wechselt nach Ariely von der sozialen zur monetären Aktivität.  



Der Engagement-Selbsttest an einer aktuellen Crowd Sourcing Plattform


Sparked.com schafft Relevanz durch Volunteer Projekte, die auf individuelle Interessen und Fähigkeiten zugeschnitten sind.

Wer die Wirkung der beschriebenen Faktoren selbst testen möchte, sollte sich jetzt bei sparked.com  als Micro Volunteer anmelden. Eine Seite, die sozial Interessierte mit Mini-Projekten vernetzt. Zu Beginn werden die Interessierten dazu aufgefordert ein Themengebiet, wie beispielsweise „Umwelt und Bildung“ zu wählen, in dem sie sich gerne engagieren würden. Nachfolgend können eigene Fähigkeiten, in Bereichen wie etwa „Marketing und Social Media“ angegeben werden. Die Anzeige, dass über 70.000 weltweit registrierte Nutzer die eigenen Interessen teilen, stärkt die individuelle Eingebundenheit in dem sozialen Netzwerk. Das Aufzeigen von 79 Volunteering-Aufgaben, die den eigenen Fähigkeiten entsprechen, fördert zusätzlich die persönliche Relevanz des Projektes. Der weltweite Projekthorizont erhöht das eigene Empowerment, da Unterstützung in Bereichen ermöglicht wird, die zuvor außerhalb des persönlichen Wirkungsbereichs gelegen haben. Darüber hinaus zeigen Profil-Auszeichnungen innerhalb der sparked Community das eigene bisherige Engagement in einem relevanten Umfeld an. In regelmäßigen Mails, die als Handlungsauslöser fungieren, werden Aufgaben, die den persönlichen Interessen und Fähigkeiten entsprechen, übersichtlich dargestellt.



Die Lektionen umsetzen

Bei der Realisierung von Projekten im Dienste der eigenen Marke sind zusätzliche Herausforderungen zu berücksichtigen, wie die Übereinstimmung des Markencharakters mit der angestrebten Nutzeraktivität und der entsprechenden Konsumentenrelevanz.
Die genannten Erfolgsfaktoren treffen auf eine Vielzahl erfolgreicher Crowd Sourcing Projekte zu und ihre Berücksichtigung kann als Checkliste für zukünftige Projekte dienen, in denen sich Nutzer einbringen und beteiligen sollen. 

Marken sollten ähnlich wie bei sparked und Foldit Erlebnisse schaffen, die den Verbrauchern ihr persönliches Potential sowie ihre Bedeutung aufzeigen und ihnen ermöglichen eine wichtige Rolle zu spielen. Denn letztlich geht es, wie die Neurologin Maya Angelou treffend formuliert, weniger um das „Was“ als um das „Wie“:  “People will forget what you said. People will forget what you did, but people will never forget how you made them feel!”.  Deshalb sollten Marken mit den beschriebenen Designelementen Nutzer befähigen ihren Handlungshorizont zu erweitern, um durch das erlebte Empowerment der Beteiligten tiefgreifende Gefühle zu erschaffen.