Was ist nötig, um Verbraucher zu motivieren an den
eigenen Markenprojekten mitzuwirken? Welches Design vermag es, die
Verhaltenshürden zu überwinden und Freiwillige für die eigene Kampagne zu
begeistern? Antworten auf diese Fragen liefert der Blick auf Crowd Sourcing
Projekte.
Dem 3D-Proteinpuzzle Foldit gelingt es, tausende Freiwillige für die
Wissenschaft zu motivieren.
Das Ermöglichen von Nutzererlebnissen und die somit
verbundene Aktivierung der Zielgruppe gelten als eines der wichtigsten Ziele
moderner Unternehmenskommunikation. Nach einer Influencer-Studie von Brian
Solis ist die Fähigkeit, Nutzer zu bestimmten Handlungen zu motivieren, die
wichtigste Maßgröße, um den Einfluss von Marken zu beurteilen.
Welche Faktoren entscheidend sind, um Konsumenten zu begeistern und zu
integrieren, wird derzeit kontrovers diskutiert – eine solide Antwort auf diese
Frage ist bisher noch nicht abzusehen.
Potentiale für
Unternehmen und Marken
Dennoch gibt es Lösungsansätze, die einer Antwort auf die
Frage der Einflussfaktoren näher kommen. Diese können in einem Bereich gefunden
werden, in dem die konstruktive Aktivierung der Massen das Grundkonzept
darstellt. Im Crowd Sourcing (Schwarmauslagerung) werden traditionell
unternehmensinterne Teilaufgaben an eine Menge freiwilliger, externer Personen
ausgelagert. Zu den bekanntesten und erfolgreichsten Crowd Sourcing Beispielen
gehören die Linux-Programmierung und die Erstellung von Wikipedia. Darüber
hinaus lassen sich zahlreiche Projekte aus allen Lebens- und
Unternehmensbereichen finden. Angefangen bei der Entschlüsselung von
Proteinstrukturen zur medizinischen Grundlagenforschung (fold.it) über die Micro-Volunteering Seite sparked.com bis hin zur Übersetzung von Twitter, das durch über
200.000 freiwillige Übersetzer nun in mehr als 30 Sprachen verfügbar ist.
Gelingt es einer Marke eine große Anzahl an Nutzern zu motivieren
und aktivieren, sind die Vorteile enorm – sowohl für die Nutzer selbst als auch
für das Unternehmen. Je nach Aufgabe kann das Engagement unter Umständen
aufwändige Marktforschungen ersetzen und dem Verbraucher ermöglichen Einfluss
auf die Marke zu haben, oder sogar ein Teil von ihr zu werden. Produktion und
Innovation mit Hilfe von „Prosumenten“ binden die Kunden direkt in den
Produktionsprozess ein und verringern das Risiko des Unternehmens an den
Bedürfnissen der Konsumenten vorbei zu produzieren. Zweifellos spielen motivierte,
beteiligte Nutzer eine Schlüsselrolle als Markenbotschafter bei viralen
Kampagnen und klassischen Empfehlungen.
Lerne von den Besten
Die Untersuchung von Crowd Sourcing Beispielen soll nun dazu
dienen, Erfolgsfaktoren zu identifizieren und für zukünftige
Engagement-Strategien zugänglich zu machen.
Fold ist ein Crowd
Sourcing Projekt der Standford University, das die Entschlüsselung der
Faltungsstruktur von Proteinen zum Ziel hat. Die Faltungsstruktur gilt als
eines der größten Rätsel der Humanbiologie und deren Entschlüsselung als
Grundlage, um zahlreiche Krankheiten, wie Alzheimer und Krebs, behandeln zu
können. Um die Faltungsmöglichkeiten eines einzigen Proteins zu berechnen,
benötigt ein herkömmlicher Computer 30 Jahre. Da es hunderttausende Proteine zu
entschlüsseln gab, wurde in Form eines passiven Crowd Sourcing Projekts
zunächst freie Rechenleistung privater Computer und später von Play Stations
zur Verfügung gestellt. Schon nach sechs Monaten wurde eine noch nie dagewesene
Rechenleistung erreicht und über eine Millionen beteiligte Play Station
Besitzer stellen 74% der Rechenleistung von
folding@home. Im nächsten
Entwicklungsschritt wurde das 3D Puzzlespiel
Foldit entwickelt,
in dem Nutzer ihre eigenen kognitiven Fähigkeiten nutzen konnten, um aktiv
Proteine zu falten und Strukturen zu ergründen.
Zoran Popovic, ein führende Entwickler von Foldit, beschrieb
die Zielsetzung mit den Worten: „Our ultimate goal is to have ordinary people
playing the game and eventually be candidates for winning the nobel price in
biology.“ Im Jahr 2008 haben sich innerhalb weniger Monate nach dem
Start von
Foldit über 112.000 Nutzer
registriert, die die Berechnungen der Supercomputer um ein Vielfaches
übertrafen. Mit Blick auf dieses und weitere Crowd Sourcing Projekte fällt auf,
dass sich bestimmte Elemente wiederholen.
Die Schnittmenge erfolgreicher
Crowd Sourcing Projekte setzt sich häufig aus folgenden Elementen zusammen:
Empowerment &
Purpose:
Die Play Station
Spieler wurden durch Foldit in die
Lage gebracht wirkliche Leben, anstelle von virtuellen Leben in ihren Spielen
zu retten. Das Gefühl, an etwas mitwirken zu können und zu dürfen, das
normalerweise weit außerhalb des persönlichen Wirkungsbereiches liegt, ist
zweifellos einer der stärksten Motivatoren, da die Person eine erhebliche
Erweiterung ihres persönlichen Handlungsspielraumes erfährt. In einer Umfrage
nach den Motivationsursachen der Foldit-Teilnahme wurde das Rätseln im
Dienste der Wissenschaft am häufigsten benannt.
Social Connectivity:
Den Nutzern wird an mehreren Stellen
gezeigt, dass sie Teil einer großen Gemeinschaft sind und ein gemeinsames Ziel
verfolgen. Durch das Aufzeigen der
Anzahl der gemeinsam entschlüsselten Proteine oder die Darstellung der
kollektiv gelaufenen Kilometer bei Nike+ kann ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt
werden, das meist ein größerer Motivator als der spieltypische Wettbewerb darstellt.
Nike+ stärkt das Gemeinschaftsgefühl, indem es aufzeigt, wie viele Kilometer die gesamte
Nike+ Community bereits gelaufen ist.
Wenn die gestellten Aufgaben dem Nutzer nicht nur kognitive Fähigkeiten, wie z.
B. das Bewerten von Produktnamen, abverlangen, sondern ihn zugleich auch
emotional fordern und ihm ermöglichen anderen Menschen zu helfen, steigt
außerdem die persönliche Relevanz des Projektes und das Gefühl der
Verbundenheit.
Motivierendes
Design:
Des Weiteren wurden
moderne Spiel-Motivationsmechanismen auf das 3D Puzzle übertragen. Direktes,
verhaltensorientiertes Feedback des Programms zeigt dem Nutzer den eigenen Fähigkeits-
und Entwicklungsstand und lobt ihn für richtig ausgeführte Aktionen. Die
Programmfunktionen und Schwierigkeitslevels passen sich dem wachsenden Können
der Spieler an, um somit auch langfristige Motivation und Herausforderungen zu
gewährleisten. Der persönliche Fortschritt wird anhand des Erreichens von Punkten
und verschiedenen Levels quantifiziert und somit für einen selbst und andere
Spieler sichtbar gemacht.
Die genannten Designelemente sind auf menschliche Bedürfnisse zugeschnitten,
die im Alltag oft nur geringe Erfüllung finden. Verhaltensfeedback erfolgt in
Form von Jahresgesprächen, obwohl die menschliche Psyche direkte Rückmeldung benötigt.
Persönliche Verbesserungen sind häufig
nicht transparent und sichtbar, was weiterführende Motivation begrenzt. Berufliche
Aufgaben sind nicht immer entsprechend der eigenen Fähigkeiten konstruiert,
damit sie die Balance zwischen Über-und Unterforderung halten, was die
Voraussetzung des Flow Zustandes darstellt. Somit ist Foldit in der Lage
Bedürfnisse zu befriedigen, die im Alltäglichen nicht erfüllt werden.
Motivation –
Fähigkeit – Auslöser/Gelegenheit:
Nach McGonigal ist das Zusammentreffen
der benötigten Nutzerfähigkeit mit dem richtigen Zeitpunkt, bzw. der
Handlungsgelegenheit eine Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Crowd
Sourcing Projekt. Dieser Gedanke lässt sich mit Foggs Verhaltensmodell
erweitern, das ein ausreichendes Maß an Motivation und Fähigkeit in Kombination
mit einem Handlungsauslöser als Grundvoraussetzung sieht. Übertragen auf das
Design der Crowd Sourcing basierten Twitter-Übersetzung wäre eine Motivation beispielsweise
das persönliche Interesse, Twitter den Menschen des eigenen Herkunftslandes in
ihrer Muttersprache zugänglich zu machen. Die zusätzliche Fähigkeit des
Übersetzens reicht jedoch nicht aus, um den Nutzer zum Handeln zu bewegen.
Entscheidend ist, in einem opportunen Moment einen Auslöser, wie z.B. ein Pop-up
zu platzieren, das zur unverbindlichen Partizipation am Übersetzungsprogramm
einlädt. Ist diese Einladung kombiniert mit der Darstellung von bereits
involvierten Freunden, erhöht sich die Wirkung des Auslösers um ein Vielfaches.
Wenn also in der Projektplanung ein bestimmtes Nutzerverhalten angestrebt wird,
sollte zum einen gefragt werden, ob in jedem einzelnen Verhaltensschritt
Motivation und Fähigkeit vorhanden sind. Zum anderen sollte geklärt werden, was
der optimale situative Kontext ist und wie ein Auslöser gestaltet werden
könnte.
Motivation, Fähigkeit und
Auslöser müssen zusammentreffen, damit nach Fogg das Zielverhalten ausgelöst
wird.
Intrinsische
Motivation: Insofern die Aufgaben relevant und klar gut strukturiert
sind, reicht im besten Falle das übergeordnete Ziel der Kampagne aus, um den
Nutzer intrinsisch zum Handeln zu motivieren. Erhält der Nutzer jedoch eine
materielle Kompensation für sein Engagement, kann die ursprünglich intrinsische
Motivation zerstört werden und das Framing der Handlung wechselt nach Ariely
von der sozialen zur monetären Aktivität.
Der
Engagement-Selbsttest an einer aktuellen Crowd Sourcing Plattform
Sparked.com schafft Relevanz durch Volunteer Projekte, die auf individuelle Interessen und Fähigkeiten zugeschnitten sind.
Wer die Wirkung der beschriebenen Faktoren
selbst testen möchte, sollte sich jetzt bei sparked.com als Micro
Volunteer anmelden. Eine Seite, die sozial Interessierte mit Mini-Projekten
vernetzt. Zu Beginn werden die Interessierten dazu aufgefordert ein Themengebiet,
wie beispielsweise „Umwelt und Bildung“ zu wählen, in dem sie sich gerne
engagieren würden. Nachfolgend können eigene Fähigkeiten, in Bereichen wie etwa
„Marketing und Social Media“ angegeben werden. Die Anzeige, dass über 70.000
weltweit registrierte Nutzer die eigenen Interessen teilen, stärkt die
individuelle Eingebundenheit in dem sozialen Netzwerk. Das Aufzeigen von 79
Volunteering-Aufgaben, die den eigenen Fähigkeiten entsprechen, fördert
zusätzlich die persönliche Relevanz des Projektes. Der weltweite
Projekthorizont erhöht das eigene Empowerment, da Unterstützung in Bereichen
ermöglicht wird, die zuvor außerhalb des persönlichen Wirkungsbereichs gelegen
haben. Darüber hinaus zeigen Profil-Auszeichnungen innerhalb der sparked
Community das eigene bisherige Engagement in einem relevanten Umfeld an. In regelmäßigen
Mails, die als Handlungsauslöser fungieren, werden Aufgaben, die den
persönlichen Interessen und Fähigkeiten entsprechen, übersichtlich dargestellt.
Die Lektionen
umsetzen
Bei der Realisierung von Projekten im Dienste der eigenen
Marke sind zusätzliche Herausforderungen zu berücksichtigen, wie die Übereinstimmung
des Markencharakters mit der angestrebten Nutzeraktivität und der
entsprechenden Konsumentenrelevanz.
Die genannten Erfolgsfaktoren treffen auf eine Vielzahl erfolgreicher Crowd
Sourcing Projekte zu und ihre Berücksichtigung kann als Checkliste für
zukünftige Projekte dienen, in denen sich Nutzer einbringen und beteiligen
sollen.
Marken sollten ähnlich wie bei sparked und Foldit
Erlebnisse schaffen, die den Verbrauchern ihr persönliches Potential sowie ihre
Bedeutung aufzeigen und ihnen ermöglichen eine wichtige Rolle zu spielen. Denn
letztlich geht es, wie die Neurologin Maya Angelou treffend formuliert, weniger
um das „Was“ als um das „Wie“: “People
will forget what you said. People
will forget what you did, but people will never forget how you made them feel!”.
Deshalb sollten Marken mit den beschriebenen
Designelementen Nutzer befähigen ihren Handlungshorizont zu erweitern, um durch
das erlebte Empowerment der Beteiligten tiefgreifende Gefühle zu erschaffen.